Atemarbeit und Stimmtraining…mit Leib und Seele

Atemarbeit und Stimmtraining
Die Atemarbeit, so wie ich sie verstehe und im Weiteren darlegen werde, ist eine ganzheitliche Körper- und Bewegungsarbeit. Die Bewusstheit für den eigenen Atem und die achtsame Hinwendung zur Atembewegung spielen dabei eine wichtige Rolle und machen den Unterschied aus zwischen einem bewussten zugelassenen Atem und der unbewussten vegetativ gesteuerten Atemfunktion.
Das zulassen Können der Atembewegung, d.h. den Atem kommen und gehen zu lassen in seinem eigenen Rhythmus, und das gleichzeitige Wahrnehmen dieser Atembewegung sind das Ziel. Dies unterscheidet den bewussten zugelassenen Atem von einem willentlich geführten Atem.
Unsere Atmung ist das einzige Körpersystem, das sowohl willentlich geführt werden kann, als auch – die weitaus meiste Zeit über – unwillkürlich abläuft. „Diagnoseinstrument“ ist dabei die sicht- und spürbare Atembewegung im Körper, anders ausgedrückt: die Bewegung, die im Körper durch den Vorgang des Atmens entsteht. Im Rumpf ist sie wahrnehmbar als weit Werden und Zurückschwingen der Körperwände im Atemrhythmus, in den Extremitäten bewirkt die Atembewegung eine Tonusveränderung der Muskulatur, die spürbar wird als eine sich fortpflanzende Druckwelle bis hin zu den Füßen, Händen oder dem Kopf. Behindert oder aufgehalten werden kann sie durch zu hohe oder niedrige Muskelspannung und festgehaltene Gelenke (…)

(…)Laut Kemmann-Huber und Fischer nimmt die Atemarbeit eine „Mittelstellung zwischen einem therapeutischen und pädagogischen Anspruch ein.“19 Sie gilt als ganzheitliches körpertherapeutisches und lehrendes Verfahren. Einen ähnlichen Anspruch möchte ich auch für den Gesangsunterricht formulieren, denn Singen sowie Sprechen sind immer ein Ausdruck des Körpers und der Seele. Selbstverständlich kann und soll der Gesangsunterricht kein Ersatz für eine Psychotherapie sein. Und doch geht es im Unterricht immer auch um das Ansprechen seelischer Kräfte im Menschen und damit um seelisches Wachstum. Die Atemarbeit ist also keine Technik, richtig atmen zu lernen. Ich sehe den Atem vielmehr als eine Verbindung zwischen dem physischen, psychischen und geistigen Geschehen in einem Menschen an. Die Art und Weise, wie ein Mensch atmet, spiegelt seine momentane Befindlichkeit wieder und zeigt die Person in ihrer Ganzheit. Ganzheit meint dabei die Einheit von Körper, Seele und Geist.
Ebendies lässt sich auch darüber sagen, wie ein Mensch singt. Dabei ist die Einschränkung zu machen, dass dies nur auf die natürliche, spontane, sozusagen die zugelassene Stimmgebung zutrifft. Im Kunstgesang wirken noch andere Kräfte mit wie z.B. ein ausdrücklicher Gestaltungswille. Trotzdem muss die natürliche, spontane Stimmgebung immer als unverzichtbare Grundlage auch für den künstlerischen Gesang angesehen werden.

 

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